Da steht geschrieben
(2011) 12' / für Mezzosopran und Harfe
nach einem Text von Friedrich Hölderlin aus seinem Werk "Die Bücher der Zeiten"
Geschrieben für Anne-May Krüger (Mezzosopran) und Beate Anton (Harfe). Uraufführung am 17. März 2011 in Nürtingen, Deutschland.
Friedrich Hölderlin (1770-1843)
Da steht geschrieben -
Länderverwüstung und Völkerverheerung,
Und feindliches Kriegergemetzel,
Und würgende Könige -
Mit Roß und Wagen,
Und Reuter und Waffen,
Und Szepter um sich her;
Und giftge Tyrannen,
Mit grimmigem Stachel,
Tief in der Unschuld Herz.
Und schröckliche Fluten
Verschlingend die Frommen,
Verschlingend die Sünder,
Zerreißend die Häuser
Der Frommen, der Sünder.
Und fressende Feuer -
Paläste und Türme
Mit ehernen Toren,
Gigantischen Mauern
Zernichtend im Augenblick.
Geöffnete Erden
Mit schwefelndem Rachen
Ins rauchende Dunkel
Den Vater, die Kinder,
Die Mutter, den Säugling,
In Wehegeröchel
Und Sterbegewinsel
Hinuntergurgelnd. -
Da steht geschrieben
Vatermord! Brudermord
Säuglinge blaugewürgt!
Greulich! Greulich!
Um ein Linsengericht
Därmzerfressendes Gift
Dem guten, sicheren Freund gemischt. -
Hohlaugigte Krüppel,
Ihrer Onansschande
Teuflische Opfer -.
Kannibalen
Von Menschenbraten gemästet -
Nagend an Menschengebein,
Aus Menschenschädel saufend
Rauchendes Menschenblut.
Wütendes Schmerzgeschrei
Der Geschlachteten über dem
Bauchzerschlitzenden Messer.
Des Feindes Jauchzen
Über dem Wohlgeruch,
Welcher warm dampft
Aus dem Eingeweid. -
Da steht geschrieben -
Die Verzweiflung schwarz
Am Strick um Mitternacht
Noch im quälenden Lebenskampf
Die Seel - am höllenahenden Augenblick.
Da steht geschrieben -
Der Vater verlassend
Weib und Kind im Hunger,
Zustürzend im Taumel
Dem lockenden süßlichen Lasterarm. -
Im Staub das Verdienst
Zurück von der Ehre
Ins Elend gestoßen
Vom Betrüger -
Im Lumpengewand
Einher der Wanderer,
Bettelnahrung zu suchen
Dem zerstümmelten Gliederbau.
Da steht geschrieben
Des heitern, rosigen Mädchens
Grabenaher Fieberkampf;
Der Mutter Händeringen,
Des donnergerührten Jünglings
Wilde stumme Betäubung.
Da steht geschrieben
Jesus Christus Kreuzestod!
Des Sohnes Gottes Kreuzestod!
Des Lamms auf dem Throne Kreuzestod!
Selig zu machen alle Welt,
Engelswonne zu geben
Seinen Glaubigen. -
Der Seraphim, Cherubim
Staunende Still
Weit in den Himmelsgefilden umher -
Des Harfenklangs Verstummen,
Kaum atmend der Strom ums Heiligtum.
Anbetung - Anbetung -
Über des Sohnes Werk,
Welcher erlöst
Ein gefallen Greuelgeschlecht.
Da steht geschrieben -
Der gestorben ist,
Jesus Christus,
Abschüttelnd im Felsen den Tod!
Heraus in der Gotteskraft Allgewalt!
Und lebend - lebend
Zu rufen dereinst dem Staub:
Kommet wieder, Menschenkinder!
Jetzt tönt die Posaun'
Ins unabsehliche Menschengewimmel
Zum Richtstuhl hinan! Zum Richtstuhl!
Zum Lohn, der aufstellt
Der Gerechtigkeit Gleichgewicht!
Da steht geschrieben -
Menschliches Riesenwerk,
Stattlich einherzugehn
Auf Meerestiefen!
Ozeanswanderer! Stürmebezwinger!
Schnell mit der Winde Fron
Niegesehene Meere
Ferne von Menschen und Land
Mit stolzen brausenden Segeln
Und schaurlichen Masten durchkreuzend.
Leviathanserleger
Lachend des Eisgebürgs,
Weltenentdecker
Niegedacht von Anbeginn.
Da steht geschrieben -